Montag, 17. Mai 2010
Umgezogen
fremde79, 23:37h
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http://lebeninnorwegen.wordpress.com
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Nationalfeiertag 17. Mai
fremde79, 22:49h
Am 17. Mai feiert Norwegen seinen Nationaltag, “grunnlovsdagen”. Diese Feier übersteigt unbestritten das, was die meisten anderen Länder an ihren Nationalfeiertagen auf die Beine stellen. Hier gehen oft gleich mehrere Paraden vom Stapel: die wichtigste ist die Kinderparade, wo die meisten Kindergärten und alle Schulen mit eigenen Fahnen und eigenen Gesängen und Sprechchören vertreten sind. Wikipedia berichtet auch dass im ganzen Land 69000 Erwachsene und Kinder in 1700 Spielmannszügen die Stimmung in den Paraden aufheizen. Neben der Kinderparade gibt es oft auch noch eine Bürgerparade bei der Parteien, Vereinigungen und alle anderen Einwohner teilnehmen können.
Und warum das ganze? Am 17. Mai 1814 unterschrieb die sogenannte Reichsversammlung Norwegens erste Verfassung und wählte einen (dänischen) König. Damit war Norwegen unabhänging von Dänemark und diese Unabhängigkeit behielt Norwegen - bis es im August desselben Jahres eine erzwungene Union mit Schweden bilden musste.
Und was habe ich heute gemacht?
Ich bin früh aufgestanden. Duschen, frühstücken, und dann mit meinem Erstklässler in die Stadt. 9.45 Uhr sollten wir uns aufstellen, an einem genau auf dem Stadtplan bezeichneten Ort. Stadtplan, Zeitplan und wichtige Anweisungen wurden in der Schule schon vor einer Woche ausgeteilt. (Im Kindergarten wurden wir sogar vier Wochen im Voraus informiert und gedrillt). Wie in den meisten anderen Familien war der Morgen chaotisch, mit Sonntagskleidern (die nie zum Wetter passen, ganz besonders nicht zu sieben Grad und Regen, was auch für uns am Mitte Mai eine Ausnahme ist), Blumen pflücken (die an ältere Damen verschenkt werden, die am Wegrand winken) und Sonntagskleidern wieder zurechtrücken. In unserer Familie tragen wir keine Tracht, weil erstens niemand von uns in Norwegen geboren ist und zweitens weil wir Erwachsene diesen Tag für übertriebenes Gedöns halten. Unsere Tageszeitung konnte heute morgen jedoch berichten, dass mehr als die Hälfte aller norwegischen Frauen heute ihre Tracht anziehen. Die besteht (kleiner Abstecher) aus Bluse, Rock, Schürze, Oberteil, Strümpfen, Schuhen und Silberschmuck und heisst Bunad (sprich: Bünad).
Mit dem Auto konnten wir natürlich nur bis zum Rand der Innenstadt fahren, den Rest gingen wir in 15 Minuten zu Fuß.
Mit leichter Verspätung angekommen galt es zu warten. Denn obwohl wir eine Viertelstunde vor Beginn erscheinen sollen beginnt die Parade immer verspätet. Unser Erstklässler nahm also zusammen mit den anderen Erstklässlern hinter der Schulfahne Aufstellung, vor den Zweitklässlern. Vorne auf der Fahne steht der Name der Schule, auf der Rückseite ein gottesfürchtiges Wort - in Norwegen sind Staat und Kirche nicht getrennt. In der einen Hand hat er die norwegische Flagge, in Kindergröße, in der anderen den Blumenstrauß mit handgeschriebener Grußkarte.
Entgegen den Anweisungen im oben genannten Informationsschreiben bleibe ich in der Parade und winke nicht vom Rand. Zum einen, weil ich eine Glucke bin und meinen Augapfel in diesem Gedrängel nicht verlieren will, zum anderen weil ich beim Bilder machen plötzlich von der Parade mitgeschwemmt werde. Eine Stunde später sind wir fertig. Noch eine Stunde später wieder zu Hause.
Tee trinken und abwarten, weil um 14.00 Uhr der eigentliche Spaß beginnt. Nicht etwa die Bürgerparade, um die kümmern wir uns nicht, sondern die Feier auf dem Schulhof. Lotteri, Zielwerfen, Plastikfische angeln, für 5 Kronen sind Sie dabei! Im Gegenzug gewinnt das Kind Süßigkeiten, Lineal, Cola, Radiergummi und eine Frisbeescheibe. Das Nationalessen heute sind Würstchen, Waffeln und Eis.
JETZT tun mir die Füße weh. Hohe Absätze sind für diesen Tag ungeeignet. Wusste ich auch, aber für flache Schuhe sind die Hosenbeine zu lang.
Um 16.00 Uhr ist der Spaß (Spuk) vorbei, und wir schleppen uns nach Hause. Aber zuerst zum Pizzabäcker. Weil heute keiner mehr Kraft zum kochen hat. Nach dem Essen sind alle so geschafft, dass es nur noch zum Fernsehen reicht. Und - wenn das Kind im Bett ist - zum Bloggen...
Und warum das ganze? Am 17. Mai 1814 unterschrieb die sogenannte Reichsversammlung Norwegens erste Verfassung und wählte einen (dänischen) König. Damit war Norwegen unabhänging von Dänemark und diese Unabhängigkeit behielt Norwegen - bis es im August desselben Jahres eine erzwungene Union mit Schweden bilden musste.
Und was habe ich heute gemacht?
Ich bin früh aufgestanden. Duschen, frühstücken, und dann mit meinem Erstklässler in die Stadt. 9.45 Uhr sollten wir uns aufstellen, an einem genau auf dem Stadtplan bezeichneten Ort. Stadtplan, Zeitplan und wichtige Anweisungen wurden in der Schule schon vor einer Woche ausgeteilt. (Im Kindergarten wurden wir sogar vier Wochen im Voraus informiert und gedrillt). Wie in den meisten anderen Familien war der Morgen chaotisch, mit Sonntagskleidern (die nie zum Wetter passen, ganz besonders nicht zu sieben Grad und Regen, was auch für uns am Mitte Mai eine Ausnahme ist), Blumen pflücken (die an ältere Damen verschenkt werden, die am Wegrand winken) und Sonntagskleidern wieder zurechtrücken. In unserer Familie tragen wir keine Tracht, weil erstens niemand von uns in Norwegen geboren ist und zweitens weil wir Erwachsene diesen Tag für übertriebenes Gedöns halten. Unsere Tageszeitung konnte heute morgen jedoch berichten, dass mehr als die Hälfte aller norwegischen Frauen heute ihre Tracht anziehen. Die besteht (kleiner Abstecher) aus Bluse, Rock, Schürze, Oberteil, Strümpfen, Schuhen und Silberschmuck und heisst Bunad (sprich: Bünad).
Mit dem Auto konnten wir natürlich nur bis zum Rand der Innenstadt fahren, den Rest gingen wir in 15 Minuten zu Fuß.
Mit leichter Verspätung angekommen galt es zu warten. Denn obwohl wir eine Viertelstunde vor Beginn erscheinen sollen beginnt die Parade immer verspätet. Unser Erstklässler nahm also zusammen mit den anderen Erstklässlern hinter der Schulfahne Aufstellung, vor den Zweitklässlern. Vorne auf der Fahne steht der Name der Schule, auf der Rückseite ein gottesfürchtiges Wort - in Norwegen sind Staat und Kirche nicht getrennt. In der einen Hand hat er die norwegische Flagge, in Kindergröße, in der anderen den Blumenstrauß mit handgeschriebener Grußkarte.
Entgegen den Anweisungen im oben genannten Informationsschreiben bleibe ich in der Parade und winke nicht vom Rand. Zum einen, weil ich eine Glucke bin und meinen Augapfel in diesem Gedrängel nicht verlieren will, zum anderen weil ich beim Bilder machen plötzlich von der Parade mitgeschwemmt werde. Eine Stunde später sind wir fertig. Noch eine Stunde später wieder zu Hause.
Tee trinken und abwarten, weil um 14.00 Uhr der eigentliche Spaß beginnt. Nicht etwa die Bürgerparade, um die kümmern wir uns nicht, sondern die Feier auf dem Schulhof. Lotteri, Zielwerfen, Plastikfische angeln, für 5 Kronen sind Sie dabei! Im Gegenzug gewinnt das Kind Süßigkeiten, Lineal, Cola, Radiergummi und eine Frisbeescheibe. Das Nationalessen heute sind Würstchen, Waffeln und Eis.
JETZT tun mir die Füße weh. Hohe Absätze sind für diesen Tag ungeeignet. Wusste ich auch, aber für flache Schuhe sind die Hosenbeine zu lang.
Um 16.00 Uhr ist der Spaß (Spuk) vorbei, und wir schleppen uns nach Hause. Aber zuerst zum Pizzabäcker. Weil heute keiner mehr Kraft zum kochen hat. Nach dem Essen sind alle so geschafft, dass es nur noch zum Fernsehen reicht. Und - wenn das Kind im Bett ist - zum Bloggen...
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Mittwoch, 12. Mai 2010
Nynorsk-Tag
fremde79, 23:53h
Heute haben wir in Norwegen Nynorsk-Tag. Nynorsk (neunorwegisch) ist die weniger gebräuchliche zweier Schriftsprachen für das Norwegische. Das bedeutet dass dieselbe gesprochene Sprache auf zwei Arten geschrieben werden kann.
Warum man nicht mit einer Schriftsprache auskommt ist nicht leicht zu erklären.
Norwegen war lange Zeit erst ein Teil Schwedens, dann Dänemarks. Die norwegische Sprache wurde von den oberen Schichten nicht gebraucht. Als sich das änderte, gab es keine norwegische Schriftsprache. Man sprach norwegisch und schrieb dänisch. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde dann das erste norwegische Wörterbuch herausgegeben - Ein Akt nationalen Stolzes. Die neue Schriftsprache wurde Bokmål genannt - zu deutsch: Buchsprache. Sie war an den Dialekt der großen Küstenstädte angelehnt.
Und hier lag das Problem. Das Norwegische hat ungezählte Dialekte. Die Sprecher der ländlichen Dialekte fühlten sich nicht in der neuen Schriftsprache vertreten. Nach riesigem politischen Gerangel und nur wenige Jahre nach der Herausgabe des Bokmål-Wörterbuches wurde Nynorsk als zweite, gleichberechtigte Schriftsprache eingeführt.
Heute werden öffentliche Schriftstücke in beiden Schriftsprachen ausgefertigt, das staatliche Fernsehen hat eine Nynorsk-Quote von 20 Prozent bei allen Untertiteln.
Bei der Bokmål-Mehrheit ist das Nynorsk ausgesprochen unbeliebt, aber seine Befürworter kämpfen mit glühendem Eifer und so wird es noch lange zwei Arten geben auf norwegisch zu schreiben.
Warum man nicht mit einer Schriftsprache auskommt ist nicht leicht zu erklären.
Norwegen war lange Zeit erst ein Teil Schwedens, dann Dänemarks. Die norwegische Sprache wurde von den oberen Schichten nicht gebraucht. Als sich das änderte, gab es keine norwegische Schriftsprache. Man sprach norwegisch und schrieb dänisch. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde dann das erste norwegische Wörterbuch herausgegeben - Ein Akt nationalen Stolzes. Die neue Schriftsprache wurde Bokmål genannt - zu deutsch: Buchsprache. Sie war an den Dialekt der großen Küstenstädte angelehnt.
Und hier lag das Problem. Das Norwegische hat ungezählte Dialekte. Die Sprecher der ländlichen Dialekte fühlten sich nicht in der neuen Schriftsprache vertreten. Nach riesigem politischen Gerangel und nur wenige Jahre nach der Herausgabe des Bokmål-Wörterbuches wurde Nynorsk als zweite, gleichberechtigte Schriftsprache eingeführt.
Heute werden öffentliche Schriftstücke in beiden Schriftsprachen ausgefertigt, das staatliche Fernsehen hat eine Nynorsk-Quote von 20 Prozent bei allen Untertiteln.
Bei der Bokmål-Mehrheit ist das Nynorsk ausgesprochen unbeliebt, aber seine Befürworter kämpfen mit glühendem Eifer und so wird es noch lange zwei Arten geben auf norwegisch zu schreiben.
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Mittwoch, 12. Mai 2010
Vorratsdatenspeicherung
fremde79, 01:35h
In Norwegen tobt der Kampf um die Vorratsdatenspeicherung. Später als in der EU, weil wir uns erst jetzt entscheiden müssen ob wir der EU folgen wollen oder nicht.
Die Argumente sind dieselben wie in der deutschen Debatte. Mit der kleinen Ergänzung dass wir uns Sorgen machen ob wir in Europa eine Insel der Kriminalität werden als einziges Land ohne Vorratsdatenspeicherung. Ein Problem ist auch die Tatsache, dass, falls die Vorratsspeicherung eingeführt wird, diese Daten von vielen, sogar für zivilrechtliche Prozesse angefordert werden können.
Unter den Parteien sind nur die Sozialdemokraten eindeutig dafür, die anderen Parteien entweder dagegen (linke und liberale) oder tief gespalten (konservative).
Die Argumente sind dieselben wie in der deutschen Debatte. Mit der kleinen Ergänzung dass wir uns Sorgen machen ob wir in Europa eine Insel der Kriminalität werden als einziges Land ohne Vorratsdatenspeicherung. Ein Problem ist auch die Tatsache, dass, falls die Vorratsspeicherung eingeführt wird, diese Daten von vielen, sogar für zivilrechtliche Prozesse angefordert werden können.
Unter den Parteien sind nur die Sozialdemokraten eindeutig dafür, die anderen Parteien entweder dagegen (linke und liberale) oder tief gespalten (konservative).
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Gleichheit I
fremde79, 22:08h
Hier in Norwegen sind wir alle gleich. Gleichheit ist wichtig. Dieser Eintrag heisst Gleichheit I, weil es sicher noch weitere geben wird. Gleichheit ist ein Thema, zu dem es in Norwegen viele Unterthemen gibt. Gleichheit hat unbestreitbare Vorteile. Deshalb wird Das Skandinavische Modell von Wirtschaftwissenschaftlern und Politikern auf aller Welt gelobt (aber nicht kopiert). Das Skandinavische Modell hat natürlich seine kulturellen Wurzeln. Die dicke Hauptwurzel, die Rübe des Skandinavischen Modells, sozusagen, ist die Gleichheit.
In Norwegen sind alle Menschen gleich. Naja, ausser denen, die keine Personnummer haben. Personnummer braucht man hier. Das ist eine Nummer, die mich und dich einzigartig macht. Also das Gegenteil von gleich. Und gleichzeitig ist es die Nummer, die dir und mir das Eintauchen in die norwegische Gesellschaft erlaubt, also das Gleichwerden. Ohne Personnummer können du und ich kein Bankkonto eröffnen, nicht zum Arzt gehen, kein Mobiltelefon kaufen. Dass du und ich dann nicht gleich behandelt werden, bedeutet aber nicht, dass von uns das Gleichsein nicht erwartet wird. In Norwegen erwarten wir, dass Geld nach einem für alle gleichen Verteilungsschlüssel ausgegeben werden soll: x% für Unterkunft, x% für Kleidung, und so weiter. Machen wir hier einen Fehler, gibt es Gerede. In Norwegen erwarten wir, dass alle Kinder mit den gleichen Werten erzogen werden. Der erste und oberste Wert ist - haben Sie es erraten? - Gleichheit. Der zweitwichtigste Wert in der norwegischen Kindererziehung: die Kleinen sollen Wasser trinken.
Aber genug des Einwandrergeredes: wie versprochen hat die norwegische Gleichheit viele Facetten.
In Norwegen sind wir so gleich, dass unbestreitbare Ungleichheiten dokumentiert und dann gegebenenfalls öffentlich verteidigt werden müssen. Hierzu werden zum Beispiel Einkommens- und Steuerlisten veröffentlicht, in denen jeder nachlesen kann wieviel sowohl der Nachbar als auch der Staatsminister jährlich verdient und versteuert haben, und - wie es mit dem Vermögen steht. Dann können auch der Pfarrer oder der Bettler an der Haustür damit argumentieren dass du oder ich dieses Jahr zehn Prozent mehr verdienen als im vorigen Jahr. Da muss doch was übrigbleiben für Bedürftige.
Es kommt aber noch gleicher: in Norwegen sind wir so gleich, dass wir laut (!) darüber nachdenken was sinnvoller ist um die Leistungen der Schulkinder zu homogenisieren: die schwachen Schüler mehr fördern oder die starken Schüler _weniger_.
In Norwegen haben wir ein eigenes Gesetz für die Gleichheit. Juristisch gesehen hat es den Status eines gewöhnlichen ungeschriebenen Gesetzes, praktisch aber durchzieht es die gesamte norwegische Legislatur, und hat daher vielleicht eher den Status einer Verfassung. Das Gesetz heisst Jante-Gesetz (wiedergegeben aus dem norwegischen Wikipedia). Geschrieben wurde es von Aksel Sandemose im Jahr 1933. Es beinhaltet die folgenden Paragrafen:
1. Du sollst nicht glauben, dass du etwas besonderes bist.
2. Du sollst nicht glauben, dass du so viel wert bist wie wir.
3. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
4. Du sollst dir nicht einbilden dass du besser bist als wir.
5. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weisst als wir.
6. Du sollst nicht glauben, dass du mehr bist als wir.
7. Du sollst nicht glauben, dass du etwas taugst.
8. Du sollst nicht über uns lachen.
9. Du sollst nicht glauben, dass sich jemand etwas aus dir macht.
10. Du sollst nicht glauben, dass wir von dir etwas lernen können.
Später in seinem Buch erwähnt Sandemose den 11. Paragrafen:
11. Du glaubst vielleicht nicht, dass ich etwas über dich weiss?
Das Wort Gleich kommt nicht vor, aber der hellhörige Leser kann es vielleicht doch im Hintergrund vernehmen?
Wie gesagt: Fortsetzung folgt wahrscheinlich.
In Norwegen sind alle Menschen gleich. Naja, ausser denen, die keine Personnummer haben. Personnummer braucht man hier. Das ist eine Nummer, die mich und dich einzigartig macht. Also das Gegenteil von gleich. Und gleichzeitig ist es die Nummer, die dir und mir das Eintauchen in die norwegische Gesellschaft erlaubt, also das Gleichwerden. Ohne Personnummer können du und ich kein Bankkonto eröffnen, nicht zum Arzt gehen, kein Mobiltelefon kaufen. Dass du und ich dann nicht gleich behandelt werden, bedeutet aber nicht, dass von uns das Gleichsein nicht erwartet wird. In Norwegen erwarten wir, dass Geld nach einem für alle gleichen Verteilungsschlüssel ausgegeben werden soll: x% für Unterkunft, x% für Kleidung, und so weiter. Machen wir hier einen Fehler, gibt es Gerede. In Norwegen erwarten wir, dass alle Kinder mit den gleichen Werten erzogen werden. Der erste und oberste Wert ist - haben Sie es erraten? - Gleichheit. Der zweitwichtigste Wert in der norwegischen Kindererziehung: die Kleinen sollen Wasser trinken.
Aber genug des Einwandrergeredes: wie versprochen hat die norwegische Gleichheit viele Facetten.
In Norwegen sind wir so gleich, dass unbestreitbare Ungleichheiten dokumentiert und dann gegebenenfalls öffentlich verteidigt werden müssen. Hierzu werden zum Beispiel Einkommens- und Steuerlisten veröffentlicht, in denen jeder nachlesen kann wieviel sowohl der Nachbar als auch der Staatsminister jährlich verdient und versteuert haben, und - wie es mit dem Vermögen steht. Dann können auch der Pfarrer oder der Bettler an der Haustür damit argumentieren dass du oder ich dieses Jahr zehn Prozent mehr verdienen als im vorigen Jahr. Da muss doch was übrigbleiben für Bedürftige.
Es kommt aber noch gleicher: in Norwegen sind wir so gleich, dass wir laut (!) darüber nachdenken was sinnvoller ist um die Leistungen der Schulkinder zu homogenisieren: die schwachen Schüler mehr fördern oder die starken Schüler _weniger_.
In Norwegen haben wir ein eigenes Gesetz für die Gleichheit. Juristisch gesehen hat es den Status eines gewöhnlichen ungeschriebenen Gesetzes, praktisch aber durchzieht es die gesamte norwegische Legislatur, und hat daher vielleicht eher den Status einer Verfassung. Das Gesetz heisst Jante-Gesetz (wiedergegeben aus dem norwegischen Wikipedia). Geschrieben wurde es von Aksel Sandemose im Jahr 1933. Es beinhaltet die folgenden Paragrafen:
1. Du sollst nicht glauben, dass du etwas besonderes bist.
2. Du sollst nicht glauben, dass du so viel wert bist wie wir.
3. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
4. Du sollst dir nicht einbilden dass du besser bist als wir.
5. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weisst als wir.
6. Du sollst nicht glauben, dass du mehr bist als wir.
7. Du sollst nicht glauben, dass du etwas taugst.
8. Du sollst nicht über uns lachen.
9. Du sollst nicht glauben, dass sich jemand etwas aus dir macht.
10. Du sollst nicht glauben, dass wir von dir etwas lernen können.
Später in seinem Buch erwähnt Sandemose den 11. Paragrafen:
11. Du glaubst vielleicht nicht, dass ich etwas über dich weiss?
Das Wort Gleich kommt nicht vor, aber der hellhörige Leser kann es vielleicht doch im Hintergrund vernehmen?
Wie gesagt: Fortsetzung folgt wahrscheinlich.
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